ICT Probleme: Ursachen und Lösungsmöglichkeiten

Der zu hohe Morgenblutzucker

Viele ICT-Patienten klagen über das scheinbar gleiche Problem - der morgendliche Blutzucker ist hoch. Die Ursachen jedoch können sehr verschieden sein. Daher sollte der erste Schritt sein:

  • Benötigt wird nicht nur der Blutzucker vor dem Schlafengehen und am nächsten Morgen, sondern zumindest noch ein Nachtwert.
  • Am besten geeignet ist der Blutzuckerwert am Wirkungsmaximum des Basalinsulins, d.h. ca. 4 Std. nach der Injektion von NPH-Insulin.
  • Voraussetzung ist jeweils, dass der Ausgangsblutzucker vor dem Schlafengehen im Zielbereich liegt.

Hoher Nachtwert

Problem

Auch der Nachtwert ist hoch.

Ursache

  1. zu wenig Basalinsulin bei der Spätinjektion
  2. evtl. ist vor dem Zubettgehen eine Korrektur mit Kurzzeitinsulin schon bei niedrigeren Ausgangswerten nötig, d.h. es bedarf einer strafferen Korrekturregel
  3. Spätmahlzeit

Konsequenz

Dosis erhöhen oder Korrekturregel anpassen, Spätmahlzeit bei Hunger mit Kurzzeitinsulin abdecken, Erfolgskontrolle in der nächsten Nacht.

Unbemerkte nächtliche Unterzuckerung

Problem

Unbemerkte Unterzuckerungen in der Nacht: Ein wichtiger Hinweis darauf können morgendliches Erwachen mit Kopfschmerzen sowie ein durchgeschwitztes Bett sein. Auch kann es morgens einen positiven Azetonnachweis bei eher niedrigem Zucker im Morgenurin geben.

Ursache

  1. Zu viel oder zu früh gespritztes Basalinsulin als Spätinjektion
  2. Zeigen sich die Symptome der Stoffwechselentgleisung, so liegt möglicherweise eine Gegenregulation vor: Der Körper "wehrt sich" gegen den niedrigen Bltzucker und gibt seine Zuckervorräte aus der Leber ab.

Konsequenz

Die Spätinsulindosis verringern oder den Zeitpunkt der Injektion in den späteren Abend verschieben.

Normaler nächtlicher Blutzucker

Problem

Die nächtlichen Blutzuckerwerte liegen im Zielbereich, oft bis in die frühen Morgenstunden. Anschließend beginnt der Blutzucker zu steigen (z.T. um mehr als 100 mg/dl).

Ursache

In diesem Fall greifen meist mehrere Ursachen ineinander:

  1. Die Wirkung von Insulin auf den Stoffwechsel ist in den frühen Morgenstunden schlechter, da die Insulingegenspieler Cortison, Adrenalin und Wachstumshormon um diese Zeit vermehrt freigesetzt werden. In ausgeprägten Fällen nennt man das ein Dawnphänomen (Morgendämmerungsphänomen)
  2. Die Basalinsulinwirkung vom Abend klingt in den Morgenstunden aus, so dass es zu einem "Insulinloch" am frühen Morgen kommt.

Konsequenz

Auf die Insulingegenspieler hat man zwar wenig Einfluss, aber die relativ kurze Wirkdauer des Basalinsulins, kann dennoch ausreichend sein, wenn man:

  1. das Basalinsulin so spät wie möglich spritzt und einen eventuellen Blutzuckeranstieg vor dem Schlafengehen lieber durch eine zusätzliche kleine Menge Verzögerungsinsulin zum Abendessen verhindert.
  2. konsequent eine "langsame" SPritzstelle verwendet (Oberschenkel)

Weitere Lösungsmöglichkeiten

Weitere Möglichkeiten, den Blutzuckeranstieg zu vermeiden:

  • Der so genannte "Morgengupf". Dabei wird eine kleine Menge Normal- oder Kurzzeit-Analog-Insulin beim Aufwachen zur Überbrückung des "Insulinlochs" gespritzt.
  • Ein ausgeprägtes Dawnphänomen ist eine der Hauptindikationen zur Insulinpumpenbehandlung. Dabei kann durch eine höhere Basalrate in den Nachtstunden die relativ schlechte Insulinwirkung am Morgen ausgeglichen werden.
  • Zuletzt ein Blick auf den Speisezettel. BE mit sehr langsamer Blutzuckerwirkung (z.B. Fruchtzucker) und Eiweiß zur Spätmahlzeit erhöhen den morgendlichen Nüchternblutzucker. 

Blutzuckerschwankungen

Einen Typ-1-Diabetes ohne Blutzuckerschwankungen gibt es nur sehr selten. Es gibt oft viele nicht beeinflussbare Faktoren, die zu Schwankungen führen:

  • Witterungseinflüsse, z.B. starke Sonneneinstrahlung und Hitze
  • Hormonschwankungen während der Pubertät oder des Monatszyklus bei Frauen
  • unterschiedliche Resorptionsgeschwindigkeit und damit Blutzuckerwirkung der Broteinheiten
  • wechselnde körperliche Aktivität
  • Stress

Trotzdem sollte man nicht alle Turbulenzen hinnehmen, ohne sich regelmäßig zu fragen, ob nicht eine beeinflussbare Ursache besteht.

Unterlagen prüfen

  • Ist eine Regelmäßigkeit der zu hohen oder zu niedrigen Werte erkennbar? Zu welchen Uhrzeiten treten sie auf?
  • Wie groß war der Spritz-Ess-Abstand, wurde er eingehalten?

Das Nachforschen zeigt noch einmal, wie wichtig eine genaue "Buchführung" ist.

Insulingesamtmenge prüfen

Der Anteil des Basalinsulins an der Gesamt-Insulin-Tagesdosis sollte nicht mehr als 50% betragen!

  • Bei zu niedriger Gesamtdosis kommt es ständig zu Blutzuckeranstiegen, die mühsam mit hohen Mengen an schnellwirkendem Insulin "heruntergeholt" werden müssen.
  • Ein Überhang an Normalinsulin mit seiner dosisabhängigen Wirksamkeit über längere Zeit führt zu schlechterer Abschätzbarkeit des Wirkungsverlaufs, so dass die richtige Anpassung schwieriger wird.
  • Eine zu geringe Anzahl an Basalinsulingaben im Tagesverlauf in einer ICT mit Analog-Insulin kann immer wieder Blutzuckeranstiege zwischen den Insulingaben mit sich bringen.
  • Umgekehrt führt eine zu hohe Gesamtinsulindosis zu Unterzuckerungen mit Gegenregulation, die dann wieder mit drastischen Mengen an Kurzzeitinsulin korrigiert werden.

Spritzstellen prüfen

Eine weitere Ursache der schwankenden Blutzuckerwerte können die "Lieblingsstellen" beim Spritzen sein. Auch bei Injektion in kleine, zum Teil noch gar nicht durch die Haut spürbaren Verhärtungen wird das Insulin wesentlich schlechter und langsamer resorbiert.

Weitere Ursachen

Ruhe in das Leben bringen!
Wer gleichzeitig an zu vielen blutzuckerwirksamen Faktoren etwas ändert, verliert den Überblick. Daher sollte man einen Basalratentag durchführen und die BE-Faktoren und die Korrekturregeln ohne andere Einflüsse - wie Sport, Alkoholgenuss oder großen Mahlzeiten - testen.

Ebenso sollte man ein gesundes Misstrauen gegenüber der Technik entwickeln und regelmäßig den Pen und das Blutzuckermessgerät auf Funktionsfähigkeit überprüfen.

Man sollte sich durch Blutzuckerschwankungen nicht entmutigen lassen. Nach dem heutigen Stand der Forschung, kann man davon ausgehen, dass kurzfristige Blutzukcererhöhungen, keine Veränderungen am HbA1c bewirken und auch keine FOlgeschäden hinterlassen.

Quelle: aus dem Schulungsbuch für Diabetiker von Gerhard-W. Schmeisl